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Blind auf Zeit

Die Projektwoche „Café Blind Date“ der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg und des Jugendtreffs „Café dom@in“ lädt zur besonderen Sinneserfahrung ein

Würzburg (POW) Maximes Hände sind kalt und feucht. Vorsichtig lässt die Siebenjährige ihre Finger über den hölzernen Tischrand gleiten. Es ist stockdunkel. Die Erstklässlerin muss sich ganz auf ihren Tastsinn verlassen. Sie ist blind. Aber nur für eine halbe Stunde. Dann ist die besondere Sinneserfahrung im „Café Blind Date“ auch schon wieder zu Ende.

Seit 2004 veranstalten die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) und der Jugendtreff „Café dom@in“ die Projektwoche „Blind Date“, ein Dunkelcafé mit blinden und sehbehinderten Kellnern im Kilianeum-Haus der Jugend. Noch bis Freitag, 28. Oktober, können alle Interessierten dem etwas anderen Café einen Besuch abstatten.

Maxime hört das Knistern, als Kellnerin Jutta Neddermeyer Süßigkeiten am Tisch verteilt. Die 54-Jährige bewegt sich ganz sicher und natürlich in der tiefen Schwärze des Raumes. Denn anders als Maxime, die lediglich auf Zeit blind ist, hat Neddermeyer ihr Augenlicht vor 16 Jahren verloren. Seitdem lebt sie in ständiger Dunkelheit – und kommt dennoch gut alleine zurecht.

„Das hier ist eine besondere Form des Lernens und für alle Altersgruppen gedacht“, erklärt Lambert Zumbrägel, der das Projekt seit den Anfängen betreut. Das Ziel: „Selbstreflektion – die Lebenswelt blinder Menschen verstehen.“ Das „Café Blind Date“ sei eine Gradwanderung zwischen Event und Bildung. Einerseits wird im Dunkeln gespeist, „auf der anderen Seite bin ich zurückgeworfen auf mich selbst, trotz vieler Menschen im Raum bin ich doch alleine.“

Maxime macht das nichts aus. Anders als ihre Klassenkameradinnen hat sie keine Angst im Dunkeln. „Jutta, wie findest du eigentlich die richtigen Sachen zum Anziehen?“, fragt die Grundschülerin in die Dunkelheit. „Es gibt Farberkennungsgeräte, aber die brauche ich nicht“, erklärt die 54-Jährige. Sie habe nur schwarze und blaue Jeans in ihrem Kleiderschrank und dazu könne sie jedes bunte Oberteil kombinieren. Maxime ist verblüfft. Dann richtet sie ihre Aufmerksamkeit auf das in Zellophan-Folie eingewickelte Bonbon in ihren Händen und die sprudelnde Flüssigkeit in der Flasche vor ihr. „Wonach schmeckt das?“ „Einfach probieren“, rät Neddermeyer.

Der Bedarf, die Lebenswelt von Blinden kennenzulernen und zu verstehen, sei enorm groß, erklärt Zumbrägel. „Wir wollen zeigen, dass Blinde und Sehbehinderte Fähigkeiten entwickeln, etwas aus ihrem Leben zu machen.“ Neddermeyer beispielsweise erblindete im Alter von 38 Jahren aufgrund einer Antibiotika-Unverträglichkeit. Innerhalb von drei Wochen lebte sie plötzlich in völliger Dunkelheit. Doch mit dieser Situation hat sie sich schnell abgefunden: „Noch im Krankenhaus hatte ich diesen einen Moment, in dem mir klar wurde, dass ich es so hinnehmen muss.“

Gottvertrauen und Meditation geben ihr Kraft, den Alltag zu meistern. Denn den bestreitet Neddermeyer hauptsächlich alleine. Sie lernte die Brailleschrift, kann deshalb Dosen etikettieren und den Haushalt somit einfacher gestalten. Wenn sie draußen unterwegs ist, ist der Blindenstock ihr ständiger Begleiter. Zäune, Mauern, Pflastersteine, alles dient der Orientierung. Nur an große und überfüllte Orte wie beispielsweise den Würzburger Marktplatz traut sich Neddermeyer nur in Begleitung eines Sehenden. „Dort ist es viel zu laut und zu voll, um sich alleine zurechtfinden zu können.“

Soweit denkt Maxime gar nicht. Für sie ist es bereits unmöglich, in dem stockfinsteren Café den Ausgang zu finden. Aber Neddermeyer hilft. Alle Personen, die mit am Tisch sitzen, bilden eine Polonaise, die von der blinden Kellnerin angeführt wird. „Hier brauche ich keinen Blindenstock“, erklärt sie. Im Café orientiere sie sich an dem Teppich, der an den wichtigen Laufwegen ausgelegt ist.

Draußen vor dem Dunkelcafé empfängt die Helligkeit Maxime. Die Siebenjährige blinzelt. „Das war super“, lobt sie. Wer wie die Grundschülerin eine Sinneserfahrung als Blinder machen möchte, hat im Rahmen der Projektwoche noch bis Freitag, 28. Oktober, die Gelegenheit dazu. Das Café hat täglich von 16 bis 21 Uhr geöffnet, für Gruppen vormittags von 9 bis 12 Uhr. Eine Tischreservierung wird unter Telefon 0931/38663000 empfohlen.

(4311/1100; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Foto abrufbar im Internet

Veröffentlicht: 24.10.2011
vb(POW)