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Blind auf Zeit

„Café Blind Date“ im Kilianeum-Haus der Jugend macht auf Schwierigkeiten sehbehinderter Menschen aufmerksam – Noch bis Freitag täglich von 18 bis 21 Uhr geöffnet

Würzburg (POW) „So schwarz war der Kaffee noch nie“, denke ich beim Blick auf die Tasse vor mir auf dem Tisch. Doch auch der ist pechschwarz. Nicht, weil ich mich in einem Café mit Hang zur Melancholie befinde, sondern weil es um mich herum schlichtweg stockdunkel ist. Ob der Kaffee nun wirklich schwarz, der Tisch holzbraun und die Tasse keramikweiß ist – ich habe nicht die leiseste Ahnung. „So fühlt es sich also an, wenn man blind ist“, schießt es mir durch den Kopf. Rechts neben mir am Tisch – so viel weiß ich schon – sitzt Frederik Merkt (32). Er ist Referent für Behindertenarbeit bei der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) im Bistum Würzburg und hat mich im Dunkeln an den Tisch geführt. „Uns geht es in der seit 2004 jährlich stattfindenden Projektwoche um die Auseinandersetzung mit einer Sehbehinderung“, erklärt Merkt. Wer sich selbst einmal in einer solchen Situation befunden habe, sei für die Bedürfnisse der betroffenen Menschen ganz anders sensibilisiert. „Im ‚Café Blind Date‘ im Kilianeum bedienen nur sehbehinderte und blinde Ehrenamtliche. Mit denen kommen unsere Gäste ins Gespräch und erfahren so mehr über die Lebenswelt der Menschen mit Sehbehinderung.“

Einer dieser ehrenamtlichen Mitarbeiter ist Manfred Kammer (56). Er hat seit seiner Geburt ein Sehvermögen von etwa drei Prozent. Würden wir uns bei Tageslicht gegenübersitzen, könnte er mich wohl schemenhaft erkennen und mir sagen, ob ich einen hellen oder dunklen Pullover anhabe. Kammer sitzt mir am Tisch direkt gegenüber – zumindest kommt von dort die Stimme. Links von mir stellt sich noch Christoph Simon (18) vor, der Bundesfreiwilligendienstler der DPSG. Wie die beiden aussehen und was sie für Kleidung tragen, bleibt meiner Phantasie überlassen. Erstaunlicherweise reagieren meine verbleibenden Sinne angesichts der völligen Dunkelheit recht flott. Es riecht so ähnlich wie in einem kleinen Theater, bilde ich mir ein. Womöglich denke ich das aber nur, weil mir gerade erläutert wird, wie in mehrstündiger Arbeit die Fensterfront mit Holzplatten und dicken, schwarzen Stoffen verdeckt wurde, bis auch der letzte Lichtschein verschwunden war.

„In der Küche wird das Essen natürlich bei genügend Licht zubereitet“, beschreibt Behindertenreferent Merkt den Ablauf hinter den Kulissen. „Von dort aus wird es in eine Dunkelschleuse gefahren und von den Sehbehinderten an die einzelnen Tische gebracht.“ Damit es nicht zu ungewollten Zusammenstößen kommt, orientieren sich die ehrenamtlichen Helfer mittels akustischer Hilfen. „Man spricht mit seinen Kollegen oder macht sich durch Fingerschnipsen bemerkbar“, sagt Kammer. Das funktioniere aber nur, wenn es im Raum nicht zu laut sei. „Ab und zu muss man dann auch schon mal um etwas Ruhe bitten.“

Wieder im lichtdurchfluteten Eingangsbereich des Kilianeums angekommen, kann ich nun den Stimmen meiner Tischnachbarn auch ein Gesicht zuordnen. „Vor der Dunkelschleuse können die Gäste während der Projektwoche ausprobieren, wie es ist, wenn man sich mit eingeschränkter Sicht oder völlig blind im Raum orientieren muss“, sagt Simon und reicht mir zwei Brillen. Die erste sieht aus wie eine 3D-Kinobrille und ist mit einer milchigen Folie versehen. Beim Aufsetzen kommt es mir vor, als würde ich ein sehr unscharfes Foto betrachten. Grobe Umrisse sind noch wahrnehmbar, ich erkenne helle und dunkle Flecke und die Tatsache, dass um mich herum Personen stehen. Den Wegweiser für die einzelnen Etagen im Haus kann ich jedoch beim besten Willen nicht entziffern.

Mit der zweiten Brille bin ich völlig blind. Im Zeitlupentempo und mit Hilfe eines Blindenstocks suche ich die Ausgangstür, immer mit der Angst, im nächsten Augenblick unsanft auf ein Hindernis zu stoßen. Plötzlich höre ich das lauter werdende Klacken von Absatzschuhen auf mich zukommen, das plötzlich verhallt. Dann passiert sekundenlang nichts. „Das ist eine typische Situation“, erklärt mir Kammer. Viele Menschen sind im Umgang mit Sehbehinderten unbeholfen und wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen. „Mir ist es am liebsten, wenn ich auf ein möglicherweise bestehendes Hindernis hingewiesen werde, ohne gleich am Arm gepackt zu werden. So kann ich selbst entscheiden, ob ich beispielsweise eine Treppe allein hinaufgehen kann oder nicht. Da gibt es für beide Seiten noch eine Menge zu lernen.“

Das „Café Blind Date“ im Kilianeum-Haus der Jugend, Ottostraße 1, in Würzburg ist noch bis einschließlich Freitag, 26. Oktober, täglich von 18 bis 21 Uhr für die Öffentlichkeit zugänglich. Bisher sind nach Angaben der DPSG schon etwa 400 Anmeldungen eingegangen. „Begonnen haben wir am vergangenen Sonntag mit einem gutbesuchten Konzert in völliger Dunkelheit. In den vergangenen Jahren hatten wir hier auch schon eine Weinprobe, einen Gottesdienst oder eine Lesung. Für die Zukunft können wir uns auch einen Poetry Slam im Dunkelcafé vorstellen“, erläutert Merkt die Pläne für die kommenden Jahre. Jetzt aber heißt es für das Team im „Café Blind Date“ erst einmal Kaffee kochen. Schön schwarz natürlich.

V.i.S.d.P.: Manuel Mohr (POW)